Angepinnt Das fremde Kind und Ich - Teil 3 "Kuscheln verboten?"

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    • Das fremde Kind und Ich - Teil 3 "Kuscheln verboten?"

      Wenn dererste Staub der Lebensumstellung “Er/Sie hat ein Kind!” sich gelegt hat, der
      Kontakt mit dem Kind stattfindet und gut verläuft, die Gesamtsituation
      inklusive latent präsenter/präsentem Ex des neuen Partners
      weitgehend verarbeitet ist und sich etwas ähnliches wie Routine einstellt,
      kommen die meisten Unsicherheiten und Fragen für den Stiefelternteil in Spe
      erst auf.



      Eine Bindung und Beziehung zu dem sogenannten Bonuskind (ein wunderbarer Ausdruck und
      deutlich zeitgemäßer als “Stiefkind”) zu entwickeln ist die eine Sache – nicht
      zuletzt weil Kind ja kräftig mitbandelt – im Alltag bzw. innerhalb der
      Umgangszeit mit dem Bonuskind umzugehen ist allerdings ein kleines Minenfeld.



      Nicht so sehr, weil das Kind hochspezifische Ansprüche stellen würde, sondern weil jeder
      einzelne beteiligte Erwachsene in der Regel eine ganz eigene Idee davon hat,
      wie sich ein Stiefelternteil (in Spe) zu verhalten hätte, was es zu tun und zu
      unterlassen hätte.



      Oft führt man Gespräche, unterhält sich unter den Partnern über die Konstellation und in
      der Theorie klingt alles gelöst und geklärt und nur wenige Stunden später steht
      man vor dem nächsten Problem: Wenn der Partner grade unter der Dusche ist und
      das Kind die Windel voll hat – darf ich es dann wickeln? Sollte ich es wickeln?
      Das ist eine der typischen und häufigsten Fragen von Stiefelternteilen (in Spe)
      – und eine der typischsten Handlungen, die Ex-Partner gerne (zur Not
      gerichtlich) verbieten lassen möchten.



      Die Charts:


      • Das Kind des Partners baden/mit
        dem Kind baden/duschen
      • mit dem Kind des Partners
        kuscheln
      • das Bonuskind wickeln
      • an Veranstaltungen wie z.Bsp.
        Kindergarten- oder Schulfesten des Kindes teilnehmen
      • an der Erziehung mitwirken
        i.S.v. Verbote aussprechen und dergleichen
      • mit dem neuen Partner und Kind
        in den Urlaub fahren


      Die Extremfälle, in denen der andere Elternteil versucht, den Kontakt zwischen
      Stiefelternteil (in Spe) und Kind grundsätzlich zu verhindern bzw. verbieten zu
      lassen ohne nachvollziehbaren Grund, klammern wir bewusst aus. Hierzu soll es
      zeitnah einen eigenen Artikel geben, auch um zu verdeutlichen, welchen Mehrwert
      die Beziehung zu einem Stiefelternteil für das Kind bedeuten kann.


      Bei aufmerksamer Durchsicht der oben aufgeführten “Rangliste” der am meisten
      kritisierten Interaktionen fällt sofort eines ins Auge: Es geht um Nähe. Zum
      einen ganz plump körperliche Nähe – Baden und Kuscheln – aber auch emotionale
      Nähe und Involviertsein in das Leben des Kindes – Urlaub und
      Schulveranstaltungen. Die Erklärungen, weshalb das eine oder andere nicht im
      Sinne des Kindes sei sind wahrlich andere. Das Kind würde irritiert, verwirrt,
      verunsichert. Gegenüber neuen Partnern der Eltern werden die Begründungen
      allerdings manchmal auch klarer: “Der/die hat da nichts zu suchen!”, heißt es
      dann in Bezug auf eine Schulaufführung. Vom Kind keine Rede mehr.



      Für den Stiefelternteil in Spe bergen diese Situationen ohnehin ein hohes Maß an
      Verunsicherung. Nicht nur kann auch hier die Nähe verunsichern – denn es ist ja
      nun doch nicht das eigene Kind. Was, wenn es zur Trennung kommt? Was, wenn man
      sich dann eng an das Kind gebunden hat und es nie wieder sehen darf? Zudem
      nicht wenige Stiefelternteile selbst ganz erheblichen “Hoheitsbammel” vor dem
      anderen Elternteil mit sich herum tragen. Man sagt sich also selbst ständig “Du
      bist nicht der/die Vater/Mutter, also halt dich zurück!”



      So wie schon beim Kennenlernen das gesunde Bauchgefühl aussetzt, weil der Kopf das Ruder
      übernommen hat, so spinnt es sich fort. Der intuitive Gedanke, dem armen Kind
      eben die Windel zu wechseln, damit es sich wohler fühlt wird verdrängt von
      theoretischen und oft unterkühlten Gedankengängen – sollte ich dem Kind die
      Windeln wechseln, wenn es doch nicht mein eigenes ist? Und dort endet der
      Gedanke auch. Er wird in dieser theoretischen Ausrichtung gar nicht zuende
      geführt, sonst käme zwangsläufig die Erkenntnis, dass ja auch die
      Betreuer/innen in der Krippe dem Kind die Windeln wechseln. Das dürfen also
      nicht nur die Eltern. Aber darum geht es nicht. Es geht um Sicherheitsabstand
      zu diesem Kind.



      Tatsächlich müssen viele selbst mit Kindern erfahrene und vertraute Stiefelternteile erst
      regelrecht lernen, ihr Bonuskind anzufassen und Nähe zuzulassen. All die
      Gedanken darüber, was angemessen ist und erlaubt hemmen einen natürlichen
      Umgang und Nähe wird nur Quentchenweise und in steter Hab-Acht-Stellung
      zugelassen.


      Kinder spüren das. Und nicht selten geht das Bonuskind auf Abstand, weil es die
      verhaltene Ablehnung, das übertriebene Zurückhalten des Stiefelternteils spürt
      und erlebt und selbst Unsicherheit entwickelt, ob es sich nähern darf. Zudem
      das Kind in der Regel keine Handlungsmuster im Bezug auf “Stiefeltern” hat. Die
      Konstellation ist neu, die Bezugsperson Stiefvater/Stiefmutter ist neu und alle
      probieren herum, wie diese Beziehung genau aussehen kann und funktioniert.



      Schnell kommt es da zu einem Sozialmikado – wer sich zuerst bewegt, verliert. Der
      Elternteil in der Beziehung weiß selbst nicht, wie es sein soll und hält sich
      heraus, denkt sich, die beiden regeln das schon selbst. Das Kind ist
      verunsichert und durch die schwer nachvollziehbare Distanz des Stiefelternteils
      irritiert und bleibt auf Abstand, wartet darauf, dass ein Erwachsener die
      Situation klärt und steuert. Der Stiefelternteil rührt sich auch nicht, weil
      er/sie darauf wartet, dass entweder der andere Partner als verantwortlicher
      Elternteil oder eben das Kind selbst das Problem löst, indem es Nähe sucht oder
      klar ablehnt. Aus der allgemeinen Verunsicherung entsteht eine völlig
      realitätsferne “Hop oder Top!”-Erwartung. Entweder Nähe oder nicht. Dass eine
      Beziehung zwischen Menschen – auch kleinen und großen Menschen – sich nicht so
      sprunghaft entwickelt, sondern langsam wächst, gerät aus dem Blick.



      Genau dieses Dilemma spiegelt sich dann auch an jeder Veranstaltung des Kindes, bei der in
      der Regel die Eltern und nahe Bezugspersonen teilnehmen. Der eine Elternteil
      will das nicht über die Köpfe hinweg entscheiden – die Köpfe des Kindes und des
      Stiefelternteils in der Regel – während der andere Elternteil aus verschiedenen
      Gründen, die begrenzt auf das Kind zu beziehen sind nicht möchte, dass der
      Stiefelternteil an einer Veranstaltung teilnimmt und fragt nicht selten auch
      einfach das Kind, ob es denn wirklich möchte, dass der/die kommt. Wie in einem
      früheren Artikel erwähnt passiert Beeinflussung gegen neue Partner der
      leiblichen Eltern häufiger als gegen die Eltern selbst. Und dann warten alle
      auf das Kind und dessen Entscheidung. Es soll doch fragen, wenn es möchte, dass
      der Stiefelternteil mitkommt bzw. es doch sagen, dass und ob derjenige auch
      anwesend sein soll. Dadurch entsteht dem Kind subtiler Druck, den spürbaren
      Konflikt unter den Erwachsenen zu lösen. Das ist nicht seine Aufgabe – das kann
      es nicht leisten.



      Der Gipfel dieses Berges ist dann eines Tages die “korrekte” Anrede des Stiefelternteils.
      Doch dieses Thema ist so komplex, dass wir es zeitnah in einem eigenen Artikel
      behandeln wollen.





      Quicktip


      • Entspannen Sie sich – es ist
        nur ein Kind.
      • Denken Sie nicht für andere
        mit, sondern reflektieren Sie ihre eigene Haltung und Empfindungen sorgsam
        und ausführlich. Was fühlt sich “richtig” an?
      • Schaffen Sie sich ein inneres
        Vergleichsbild oder auch mehrere, die Ihnen dabei helfen, die Situation
        objektiver und von mehreren Seiten betrachten zu können. Versetzen Sie
        sich in die Position des Kindes oder stellen Sie sich vor, das Kind sei
        nicht das ihres Partners sondern das einer Schwester/eines Bruders und zu
        Besuch Ihrer Obhut überlassen. Wie würden Sie die Situation dann
        beurteilen? Suchen Sie nach vergleichbaren Ereignissen im Leben des Kindes
        mit anderen Personen als Ihnen – wie würde es da vermutlich gelöst?
      • Nehmen Sie ihren Partner in die
        Pflicht. Er/sie muss nicht zwingend entscheiden aber sich positionieren.
        Wie steht er/sie zu dem Thema, was empfindet er/sie als angemessen und wo
        sieht er/sie Grenzen und weshalb? Diskutieren Sie diese Unsicherheiten
        offen miteinander. Mit wem, wenn nicht ihrem Partner, teilen Sie die
        Bedenken und Nöte?
      • Lassen Sie sich auf das Kind
        ein und beobachten Sie es ganz wertfrei. Sucht es ihre Nähe? Lungert es
        häufiger etwas um Sie herum, traut sich aber nicht so ganz über die letzte
        Armlänge? Macht es womöglich im Spiel sogar Anstalten, sich Ihnen in die
        Arme werfen zu wollen, bremst aber plötzlich und dreht ab, wenn es
        realisiert, was es zu tun im Begriff ist? Haben Sie dem Kind schon einmal
        Körperkontakt angeboten oder warten Sie darauf, dass die Initiative vom
        Kind ausgeht?
      • Nehmen Sie ihre Verantwortung
        als erwachsener Mensch im Gefüge wahr und an und überlassen Sie
        Entscheidungen, mit denen es überfordert ist, nicht dem Kind.
      • Lassen Sie sich nicht von
        quasimoralischen oder ethischen Bedenken hemmen. Selbstverständlich kann
        und darf ein Mann ein kleines Mädchen und eine Frau einen kleinen Jungen
        wickeln oder baden. Das geschieht täglich millionenfach und auch der
        unbefangene Umgang mit Menschen beider Geschlechter gehört zur gesunden
        Entwicklung eines Kindes.
      • Richten Sie den Fokus ihrer
        Überlegungen auf das Kind. Freut es sich wohl, wenn Sie mit zur
        Schulaufführung kommen? Dann ist es Aufgabe aller beteiligten Erwachsenen,
        sich so weit zusammen zu reißen, dass dem Kind diese Freude ungetrübt
        möglich ist.
      • Trauen Sie sich. Wenn das Kind
        nicht oder nicht mehr will, wird es Ihnen das unmissverständlich deutlich
        machen.



      Quelle: trennungmitkind.com
      Nichts macht die Menschen so unverträglich wie das Bewußtsein, genug Geld für einen guten Rechtsanwalt zu haben.

      Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von Tin ()

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